Das Thoracic Outlet Syndrom (TOS)

Diese typischen Symptome werden häufig von Patienten geschildert:

  • „Mein Arm tut nach/bei der Arbeit weh, manchmal schläft mir die Hand/der Arm ein“
  • „Bei Überkopfarbeiten geht die Kraft weg und das Werkzeug fällt mir aus der Hand“
  • „Nachts wird mein ganzer Arm taub und fühlt sich an wie ein Stück Holz“

Das Thoracic-outlet-Syndrom ist ein kontrovers diskutiertes neurovaskuläres Kompressionssyndrom der oberen Thoraxapertur. Es betrifft in über 70% junge Frauen im Alter von etwa 20 bis 40 Jahren. Allgemein akzeptiert sind insbesondere die seltenen rein vaskulären bzw. die als „true neurogenic“ bezeichneten Spätfolgen. In über 90% der Fälle bzw. im Frühstadium handelt es sich jedoch um neuropathische oder Misch-Formen, welche konventionell diagnostisch häufig nicht zu beweisen sind. Die Diagnose Thoracic Outlet Syndrom lässt sich daher oft weder wirklich sichern noch ausschliessen und beruht auf anamnestischen, klinischen und diagnostischen Hinweisen sowie jahrelanger Erfahrung.


Ursachen des Thoracic Outlet Syndroms

Klassischerweise kommt es haltungs- bzw. positionsbedingt aufgrund anatomischer Varianten zu einer mechanischen/dynamischen Irritation des Gefässnervenbündels in der Skalenuslücke, d.h. am Übergang von Brustkorb bzw. Hals (engl.: thoracic outlet: obere Brustkorböffnung) in den Arm. 


Teilweise kommt erschwerend eine Multiple Crush-, d.h. eine Mehretagen-Problematik hinzu. Der Nervenstrang wird dann auf mehreren Ebenen irritiert, beispielsweise auf Höhe der Halswirbelsäule, in der Skalenuslücke und im Sulcus ulnaris. Dann ist die Zuordnung zur beschwerdeführenden Pathologie oft nicht einfach und das weitere Vorgehen muss individuell auf die Bedürfnisse der Patientin bzw. des Patienten abgestimmt werden. Ausserdem sind differentialdiagnostisch andere Affektionen des Schultergürtelbereichs zu berücksichtigen.


Anatomische Grundlagen des Thoracic Outlet Syndroms

Das Gefässnervenbündel bestehend aus Arterie (Schlagader) und Plexus brachialis (Nervengeflecht) passiert die Skalenuslücke, gebildet von den halsstabilisierenden Muskeln der Skalenusgruppe, an der oberen Brustkorb-Öffnung, um in den Arm zu gelangen. Dies ist eine natürliche anatomische Engstelle, die durch verschiedene anatomische Varianten je nach Dynamik weitere Hindernisse bieten kann. Die Vene verläuft ausserhalb dieser Skalenuslücke. Je nach Lokalisation der Irritation sind Vene oder Arterie isoliert betroffen, meist liegt jedoch eine neuropathische mechanische Reizung, also die Nerven betreffend vor, wobei auch kombinierte Störungen vorkommen.

Im deutschsprachigen Sprachraum wird dem Pleurakuppelaufhängeapparat bzw. der Sibson Faszie (Fascia endothoracica / suprapleurale membrane) kaum Beachtung geschenkt und findet oftmals auch keine Erwähnung in aktuellen anatomischen Lehrbüchern. Für das Verständnis des Thoracic Outlet Syndroms (TOS) ist diese Struktur jedoch von entscheidender Bedeutung, da sie je nach Ausprägung eine Art strangförmiges (z.B. transversokostales Band), zeltförmiges bzw. pyramidales Hindernis darstellt, um die das Gefässnervenbündel quasi herumgeleitet wird und somit im Zusammenspiel mit anlagebedingten Varianten der Skalenusmuskulatur positionsbedingt mechanisch irritierend wirken kann.

Carlieranatomie
PDF – 511.6 KB 281 Downloads
Redenbach
PDF – 525.4 KB 255 Downloads

Diagnostische Hinweise / Radiologie

Halsrippen sind die bekanntesten potentiellen Verursacher eines Thoracic Outlet Syndroms, meist mit arterieller Beteiligung, jedoch haben nur etwa 10% der TOS-Patientinnen und Patienten eine solche anatomische Variante.

Weitaus häufiger finden sich prominente Fortsätze des 7. Halswirbels mit oder ohne Halsrippenanlagen, die sich in bandartige Strukturen (s.o., Sibson’s Fascia) fortsetzen, welche ähnlich irritierend wirken wie Halsrippen, aber weniger gut bildgebend darstellbar sind.

Anhand eines Angio MRT lassen sich in Provokationsstellung mit erhobenen Armen (rote Pfeile) in einigen Fällen Gefässbeeinträchtigungen nachweisen bei in Ruhe normalen Flussbedingungen. Flussunregelmässigkeiten lassen sich auch teilweise von angiologischer Seite mittels Ultraschall nachweisen.

In der Angio-CT Untersuchung in Provokationsstellung, also mit erhobenen Armen, lassen sich nicht nur die Gefässstrukturen sondern insbesondere auch die knöchernen Gegebenheiten rekonstruieren und somit auch subtilere positionsbedingte Irritationen anschaulich in Relation dazu darstellen. In den beiden Beispielbildern lässt sich die Gefässbeteiligung nur durch besondere Blickwinkel ausreichend visualisieren.


Therapeutische Optionen beim Thoracic Outlet Syndrom

Zunächst sollten immer alle verfügbaren konservativen Therapieoptionen ausgeschöpft werden. Es existiert eine Vielzahl physiotherapeutischer Übungen, aus denen gemeinsam mit der behandelnden Physiotherapeutin bzw. dem Physiotherapeuten die geeignetsten ausgewählt und eingeübt sowie über mehrere Monate systematisch trainiert werden sollten. Bei Versagen sämtlicher konservativer Behandlungsoptionen und entsprechendem Leidensdruck wird bei etwa 20% der Betroffenen die Indikation zur operativen Behandlung gestellt. Es existieren mehrere Zugangswege (hauptsächlich axillär und supraclaviculär) und Operationsmethoden, die sich auf die ausschliessliche Lösung von irritierenden Weichteilstrukturen beschränken bis hin zur kompletten Resektion (Entfernung) der ersten Rippe, wobei die bisher verfügbaren wissenschaftlichen Studien unterschiedliche Aussagen liefern und bisher keine Überlegenheit einer Technik nachgewiesen werden konnte. Aufgrund meiner wissenschaftlichen und anatomischen Recherchen seit über 10 Jahren, wiederholten Hospitationen bei den unterschiedlichen internationalen TOS-Spezialisten über Jahre und der eigenen Ergebnisse seit 2016 führe ich eine standardisierte supraclaviculäre Dekompression und Teilresektion der ersten Rippe bei TOS durch und bleibe somit weiterhin der Stober’schen Technik treu, die mich auch hinsichtlich meines eigenen Langzeitergebnisses und der in geübten Händen überschaubaren Komplikationsrate überzeugt.